Selbstverständlich bleibt die Abteilung für Osteuropäische Geschichte vorne. "Vor Erfolgen von Schwindel befallen", so hieß es auch wieder in der kleinen Ansprache Jan Kusbers auf der kleinen Weihnachtsfeier, die wir im Dezember 2006 gemeinsam mit Lehrenden und Studierenden feierten. Selbst hoher Besuch aus Wien (unsere Auslandsdependence) war da. Was wir ansonsten unternommen haben? Bitte:
Veranstaltungen im Wintersemester 2006/2007
Dichtung und Wahrheit. Zum Verhältnis von Narration und Erklärung in den Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften
Interdisziplinäre Tagung zu den wissenschaftstheoretischen Grundlagen moderner Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften
17.-18.11.2006, Universität Mainz, Philosophicum, Fakultätssaal
Organisation: Dr. phil. Andreas Frings, Dr. phil. Johannes Marx (Institut für Politikwissenschaft)
Die interdisziplinäre Tagung "Dichtung und Wahrheit. Zum Verhältnis von Narration und Erklärung in den Kultur-, Geistes- und Sozialwissenschaften" knüpft an eine Streitfrage aus dem 19. Jahrhundert an, die auch heute noch kontrovers diskutiert wird: die Frage nach einem angemessenen methodologischen Zugriff auf soziale und kulturelle Phänomene in Vergangenheit und Gegenwart, deren Andersartigkeit einen unbefangen beobachtenden Zugang von vornherein verbietet. Dies gilt für fremde Kulturen und historische Kontexte gleichermaßen.
Ein Blick in die geschichts- und politikwissenschaftliche Fachliteratur zeigt, dass sich selbst heute noch erklärende, erzählende und verstehende Ansätze scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen oder jeweils ein Zugang dem anderen untergeordnet wird. In der neueren Kulturgeschichte etwa ist die Suche nach nomologischen Erklärungen weitgehend durch Varianten des deutenden Erzählens ersetzt worden. Dieser Verzicht wird sachlich damit begründet, dass Kultur kein kausaler Verursacher sei, sondern ein Gefüge von Symbolen, Vorstellungen oder Wahrnehmungen, dem man sich nur interpretierend nähern könne: "Als ineinandergreifende Systeme auslegbarer Zeichen [...] ist Kultur keine Instanz, der gesellschaftliche Ereignisse, Verhaltensweisen, Institutionen oder Prozesse kausal zugeordnet werden können. Sie ist ein Kontext, ein Rahmen, in dem sie verständlich – nämlich dicht – beschreibbar sind" (Geertz 1995). Möglich sei daher nur eine narrative Vorgehensweise, die sich den kulturellen und historischen Eigenheiten beschreibend annähere. Der damit erkaufte Verzicht auf den wissenschaftlichen Erklärungsanspruch ist aus unserer Sicht nicht nur unbefriedigend, sondern auch unnötig.
Auf der anderen Seite findet man in den Sozialwissenschaften das Bemühen, eine allgemeine Handlungstheorie zu formulieren, die die Erklärung und Prognose allen sozialen Verhaltens erlauben soll. Diese Bemühungen gehen einher mit einem streng nomologisch orientierten Erkenntnisinteresse. Demnach besteht das Ziel der Wissenschaft in der Formulierung allgemeiner kausaler Zusammenhänge, die soziale Phänomene ursächlich erklären können. Häufig wird dafür auf die ökonomische Handlungstheorie zurückgegriffen, die jedoch keineswegs unumstritten ist. Man kritisiert, dass die Nutzentheorie zwar schlüssig in der theoretischen Formulierung sei, man aber empirisch nicht damit arbeiten könne, da sie der Komplexität der sozialen Welt nicht gerecht werde. Neuere Varianten der Nutzentheorie versuchen, diese Kritikpunkte aufzufangen, indem narrative und analytische Elemente bei der Analyse historischer und politischer Sachverhalte verbunden werden (vgl. Bates 1998, Kiser 1996). Diese Ansätze werden in den Vereinigten Staaten bereits breit diskutiert. In Deutschland werden diese Diskussionen bisher leider zu wenig beachtet.
Auf methodologischer Ebene fehlt also eine allgemein akzeptierte Forschungsmethodik, die in wissenschaftstheoretisch ansprechender Weise die unterschiedlichen Zugänge verbindet und die lange bestehenden Spaltungen aufzubrechen vermag. Neuere Positionen u.a. aus der analytischen Philosophie versprechen, die Trennung von verstehenden und erklärenden Ansätzen zu überwinden. Dies gilt insbesondere für Arthur C. Dantos Versuch, die nomologische Erklärung mit dem narrativen Vorgehen in den Geisteswissenschaften zu versöhnen (Danto 1965), und Donald Davidsons Bemühen um eine Integration von Handlungs- und Interpretationstheorien (Davidson 1990, 1999). Bisher sind diese theoretischen Entwicklungen in den Sozialwissenschaften und der Geschichtswissenschaft aber bedauerlicherweise wenig bekannt. Lediglich in der deutschen Philosophie des Geistes werden sie inzwischen allgemein diskutiert (Scholz 1999, Siegenthaler 2002).
Inwieweit diese neueren Ansätze ihr Versprechen tatsächlich einlösen können, soll Gegenstand dieser Tagung sein, die sich mit verschiedenen Modellen und Aspekten der Erklärung historisch situierter Sachverhalte beschäftigt. Zugleich wird dadurch ein Beitrag zur methodologischen Reflexion auch der Kulturwissenschaften insgesamt geleistet, insofern die methodische Behandlung von Ereignissen und Konzepten, die nicht geteilter Tradition oder unmittelbarer Gegenwart angehören, in allen Kulturwissenschaften zu den entscheidenden Aufgaben gehört. Vor diesem Hintergrund verfolgt die Tagung zwei zentrale Zielsetzungen:
- die Aufarbeitung und den Vergleich der methodologischen Grundlagen der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften und
- eine Überprüfung der Anwendbarkeit neuerer Konzepte aus der analytischen Philosophie im Hinblick auf eine Überwindung der methodologischen Grundlagenprobleme.
Freitag, 17.11.2006
14.00
Dr. phil. Andreas Frings, Dr. Johannes Marx
Begrüßung
14.30
Prof. Dr. Dr. h.c. em. Hansjörg Siegenthaler (Zürich):
Theorienvielfalt in den Geistes- und Sozialwissenschaften und das Rationalitätsprinzip der Ökonomie
15.30
Prof. Dr. Karl Acham (Graz):
Geschichte und Sozialtheorie. Zur Komplementarität kulturwissenschaftlicher Erkenntnisorientierungen
16.00
Kaffeepause
17.00
Andreas Hütig, M.A. (Mainz):
Erkenntnisinteresse und Methodologie der Kulturwissenschaften
18.00
Rüdiger Graf, M.A. (Berlin):
Geschichtswissenschaft zwischen Ironie und Bullshit. Überlegungen zum Problem historischer Wahrheit
Samstag, 18.11.2006
9.00
Prof. Dr. Ruth Zimmerling (Mainz):
Georg Henrik von Wright und die Polarität von Erklären und Verstehen
10.00
Prof. Dr. Oliver Scholz (Münster):
Historische Erklärungen und hermeneutische Präsumptionsregeln
11.00
Kaffeepause
11.30
Dr. Johannes Marx (Mainz):
Das ökonomische Forschungsprogramm zwischen Modellbildung und Erklärung
13.00
Mittagessen
14.30
Dr. phil. Andreas Frings (Mainz):
Erklären und Erzählen: Narrative Erklärungen historischer Sachverhalte
15.30
Kaffeepause
16.00
Prof. Dr. Thomas Spitzley (Duisburg)
Handlung, Rationalität, Bedeutung
17.00
Prof. Dr. Mechthild Dreyer (Mainz):
Kommentar und Ausblick
17.30
Schlussdiskussion
Mittwoch, 25. Oktober 2006
Prof. Dr. Stefan Berger (Manchester)
Die Verführungskraft der nationalen Vergangenheit: europäische Nationalgeschichten des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts
18.15 Uhr, Institut für Europäische Geschichte (Mainz)
Montag, 13. November 2006
Dipl.-Hdl. Paulina Jedrzejczyk
Das ABC der polnischen Mentalität. Wie das Verständnis der polnischen Seele den Deutschen das Leben erleichtern könnte
18.00 Uhr, Fakultätssaal 01-185 (Philosophicum)
Dienstag, 21. November 2006
PD Dr. Stefan Kroll (Rostock)
Der europäische Nordosten in der Frühen Neuzeit im Spiegel historisch-geographischer Informationssysteme
18.15 Uhr, Institut für Europäische Geschichte (Mainz)
Dr. Andreja Zorić (München)
Die kroatische nationale "Wiedergeburtsbewegung" des 19. Jahrhunderts als "kulturelle Lüge"
18.00 Uhr, ehemal. Fakultätssaal (Philosophicum 01-185)
Kolloquium im Wintersemestersemester 2006/2007
09.11.2006
John Jefferson (Mainz)
Die Schlacht von Varna
14.11.2006
Florian Willershausen (Mainz)
Politische Unterstützung in der Russländischen Föderation: Die ‘Systeme’ Jelzin und Putin im Vergleich
21.11.2006
Stefan Albrecht (Mainz)
Die Krim als Warteraum
28.11.2006
Julia Herzberg (Bielefeld)
Rubakins gesammelte Leben. Die Entdeckung bäuerlicher Autobiografik im späten Zarenreich
05.12.2006
Johannes Marx (Mainz)
Datenbank Management und der Einsatz quantitativer Methoden in der historischen Sozialforschung (Bericht von der Methodenausbildung am ZHSF Köln)
12.12.2006
Christian Teichmann (Berlin)
Kanäle zum Kommunismus. Wasserpolitik und Sowjetisierung in Usbekistan 1924-1953
30.01.2007
Malte Rolf (Berlin)
"Nationalisierung der Bildung"? Die Kaiserliche Universität in Warschau und das Selbstverständnis russischer Professoren im Königreich Polen (1863-1915)
06.02.2007
Jörg Ganzenmüller (Jena)
Russische Staatsgewalt und polnischer Adel: Lokale Verwaltung in den Westgouvernements des Zarenreichs 1772-1830
13.02.2007
Annette Henke (Mainz)
Der Völkermord an den Armeniern und die Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland