Dissertationen

Auf dieser Seite finden Sie Informationen über laufende Dissertationsvorhaben an unserem Lehrstuhl. Abgeschlossen wurden inzwischen die Dissertationen von Hans-Christian Petersen (Bevölkerungsökonomie - Ostforschung - Politik. Eine biographische Studie zu Peter-Heinz Seraphim (1902-1979)), Andreas Frings (Sowjetische Schriftpolitik zwischen 1917 und 1941: eine handlungstheoretische Analyse), Svetlana Bogojavlenska (Die Herausbildung und Stellung der jüdischen Gesellschaft in Riga und im Gouvernement Kurland 1795-1915), Ulrike Plath ("Culture Clash" im Baltikum? Deutsche und Esten zu Beginn des 19. Jahrhunderts), John Jefferson (The Crusade of Varna, 1438-1444) und Benjamin Conrad (Umkämpfte Grenzen, umkämpfte Bevölkerung. Die Entstehung der Staatsgrenzen der Zweiten Polnischen Republik 1918–1923).

Die gebaute Utopie einer Herrschaft. St. Petersburg im Zeitalter Katharinas II. Städtebaupolitik zwischen obrigkeitlicher Regulierung und gesellschaftlicher Aneignung (Alexander Bauer)

In meinem Dissertationsvorhaben untersuche ich die bauplanerische Entwicklung der russischen Metropole Sankt Petersburg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Das Interesse liegt vor allem in der ordnungspolizeilichen und territorialen Regulierung des städtischen Raums St. Petersburgs vor dem Hintergrund der Herrschaftsauffassung und der gesellschaftlichen Politik Katharinas II., wobei die Rückgriffe auf frühere Phasen die bauliche und planerische Entwicklung St. Petersburgs als Longue durée nachvollziehbar machen sollen. Seit den 1730er Jahren gewannen die Versuche an Bedeutung, den Raum der Petermetropole einzugrenzen und einer rational funktionsbedingten Gliederung zu unterziehen. Dieser Aspekt ist wesentlich, denn dem Versuch, den Raum der Stadt zu ordnen, lagen bestimmte Vorstellungen von Herrschaft, vom Zarenreich und von seiner Gesellschaft zu Grunde. St. Petersburg fungierte nicht nur als das Schaufenster des Zarenreiches: Das Diktum der „Großen Instruktion“, nach dem Russland eine europäische Macht sei, wollte Katharina II., hier ihrem Vorbild Peter I. folgend, auch im Stadtraum der Neva-Metropole umsetzen. Aleksej Kvasovs Generalplan zu St. Petersburg stand hier Pate und erlangte Bedeutung für das gesamte Imperium. Begreift man die inneren Reformen von Katharina II., aber auch die von Peter I., als ein Zukunftsprojekt, so lässt sich festhalten, dass das Russland der Zukunft als eine Art städtischer Utopie aufschien, bedeutete doch die von Katharina II. in ihrer Großen Instruktion intendierte Modernisierung Russlands nach europäischen Vorbildern die Notwendigkeit, das Zarenreich von einem Agrarland in ein Land der Städte zu verwandeln. Dies war ein imperiales Disziplinierungsprogramm. Es hatte den städtischen Raum und die Gesellschaft als Objekte einer umfassenden Regulierung und Disziplinierung im Blick. Aber gerade hier erschliesst sich das Spannungsfeld, in dem sich die bauplanerische Entwicklung St. Petersburgs abspielte und die Wirksamkeit und Dauerhaftigkeit baupolitischer Programme konterkarierte: Anhand konkreter Beispiele richtet die Studie den Blick auf die Konflikte zwischen den obrigkeitlichen Zuschreibungen und Lesarten des städtischen Raums einerseits und den (millieuspezifischen) Aneignungen und Nutzungsarten dieser Räume seitens der sozialen Akteure.

Doktorand:
Alexander Bauer

Betreuer:
Jan Kusber

Innerbaltische Zusammenarbeit im 20. Jahrhundert (Silke Berndsen)

Die Dissertation befasst sich - als Beitrag zur (regionalen) Integrationshistoriographie - mit der historischen Dimension und den gegenwärtigen Möglichkeiten der innerbaltischen Zusammenarbeit im 20. Jahrhundert. Ziel der Arbeit ist es u.a., Integrations- bzw. Desintegrationsfaktoren des estnisch-lettisch-litauischen Beziehungsgeflechtes heraus zu arbeiten, um im historischen Vergleich die Konstanten bzw. Diskontinuitäten der baltischen Zusammenarbeit und des regionalen Identitätsbildungsprozesses offen legen zu können. Für die historische Analyse der innerbaltischen Beziehungen werden dabei drei Phasen (Zwischenkriegszeit, Sowjetära, zweite Souveränität) angenommen, die jede für sich auf Kooperationsstrukturen untersucht werden soll. Durch einen Vergleich der Entwicklungsdeterminanten der baltischen Zusammenarbeit in beiden Phasen der nationalen Souveränität wird im Anschluss zu prüfen sein, ob die trilaterale baltische Kooperation gegenwärtig eine stabilere Grundlage besitzt als in der Zwischenkriegszeit, und ob das baltische Integrationsgefüge mit seiner unklaren Relation zwischen Koordination und Konkurrenz, zwischen Integrationsbemühen und außenpolitischer Alternativensuche den Anforderungen einer regionalen Allianz innerhalb der EU genügen kann. Methodisch bezieht die Arbeit aufgrund ihrer starken zeitgeschichtlichen Ausrichtung Ansätze der Politikwissenschaft (Integrationstheorien, Regimetheorien) ein, zur Erklärung der nur allzu offensichtlich vorhandenen Integrationsdefizite sollen darüber hinaus politologisch-soziologische Ansätze (u.a. These des "Identifikationsdefizits") fruchtbar gemacht werden. Neben der Auswertung gedruckter und virtueller Medien sind - insbesondere zur Analyse der Kooperationsstrukturen während der späten Sowjetära und der gegenwärtigen Entwicklung - ergänzend problemzentrierte Interviews mit Vertretern der Dissidentenbewegung bzw. mit Protagonisten des Integrationsprozesses vorgesehen.

Förderung:
Zeit-Stiftung

Doktorandin:
Silke Berndsen

Betreuer:
Jan Kusber

Unter Freunden. Mieczysław Rakowski in den deutsch-polnischen Beziehungen (Lisa Bicknell)

Mieczysław F. Rakowski (1926-2008) ist als letzter kommunistischer Ministerpräsident der Volksrepublik Polen (1988/89) und als stellvertretender Ministerpräsident (1981-1985) vor allem durch seine umstrittene Rolle zu Zeiten des Kriegsrechts und des Runden Tisches bekannt. Seine Tätigkeiten vor den 1980er Jahren sind außerhalb Polens hingegen kaum bekannt. Dabei sind der Einfluss und die Beachtung, die sich Rakowski in seiner Zeit als Chefredakteur der kommunistischen Wochenzeitung Polityka (1958-1982) erarbeitet hat, geradezu als Voraussetzung und Qualifikation für seine politische Tätigkeit als offizieller Verhandlungsführer zu sehen.

Seine fachliche Qualifikation für den journalistischen Bereich hatte der Historiker Rakowski mit einer Dissertation zur Geschichte der SPD in der Nachkriegszeit erworben, welches ihn bei der Polityka neben den Aufgaben des Chefradakteurs auch hauptverantwortlich für die Berichterstattung zur Bundesrepublik machte. Seine breite Kenntnis der deutschen Geschichte und Sprache sowie des politischen Systems der Bundesrepublik machten ihn zu einem wichtigen Ansprechpartner im Bereich der deutsch-polnischen Beziehungen, und zwar sowohl von polnischer als auch von deutscher Seite. Mit der Analyse dieser Rolle in seiner persönlichen und politischen Biographie will sich die vorgeschlagene Arbeit befassen. Während wichtige Quellen zu diesem Gegenstand in Form unzähliger Artikel und Aufsätze sowie detaillierter Tagebuchaufzeichnungen bereits gedruckt vorliegen, hat eine wissenschaftliche Beschäftigung mit der Biographie Rakowskis im Allgemeinen sowie mit seiner Rolle in den deutsch-polnischen Beziehungen im Besonderen bislang weder in Polen noch international stattgefunden.

Im Fokus der Untersuchung liegt das politische und persönliche Netzwerk Rakowskis, das er seit den frühen 1960er Jahren mit einschlägigen Journalisten und Politikern aus dem linksliberalen Lager der Bundesrepublik aufgebaut hatte. Durch die engagierte und für seine eigene Karriere nicht selten riskante Pflege dieser Kontakte erlangte Rakowski schon früh eine Aura der Glaubwürdigkeit, von der er in den 1970er Jahren profitierte. Sie wirkte sogar bis weit in die schwierigen 1980er Jahre hinein, in denen er sich in seiner Rolle als stellvertretender Ministerpräsident und Repräsentant des Kriegsrechtsregimes in Polen und Deutschland heftiger Kritik ausgesetzt sah.

Doktorandin:
Lisa Bicknell

Betreuer:
Jan Kusber

Die Kirchen in der Ukraine vor der europäischen Frage (Martin-Paul Buchholz)

In dem Projekt soll untersucht werden, wie die großen Konfessionen der Ukraine auf ein sich immer mehr nach Osten ausdehnendes Europa mit allen seinen Wertevorstellungen reagieren. Wie reagieren die einzelnen Konfessionen auf die Pluralisierung Europas, wie stehen sie zu Demokratie und Menschenrechten? Wie haben sie bisher die Europazugewandte bzw. abgewandte Politik der Ukraine mit begleitet? Damit eine mögliche europabezogene Ideengeschichtliche Kontinuität ersichtlich werden kann, erstreckt sich der Untersuchungszeitraum von 1991, dem Jahr, in welchem die Ukraine ihren Unabhängigkeit gewann, bis zum "Euromajdan".

Hierfür sollen die offiziellen Verlautbarungen der einzelnen Konfessionen und Religiösen Institutionen systematisch auf ihren Inhalt bezüglich des Europastandpunktes und europäischer Wertekonzeptionen untersucht werden. Die Untersuchungsergebnisse können dann kontextuell eingebunden werden, wobei das tagespolitische Geschehen immer mit berücksichtigt werden soll.

Doktorand:
Martin-Paul Buchholz

Betreuer:
Jan Kusber

Erinnerung und nationale Identität in Aserbaidschan (1990-2013) (Elnura Jivazada)

Anhand von Denkmälern, Museen, Feiertagen und Geschichtsbüchern wird zum ersten Mal umfassend untersucht, wie die Erinnerungskultur in Aserbaidschan seit der Unabhängigkeit 1991 für die Nationsbildungsprozesse gestaltet wurde. Analysiert wird der Gebrauch der Geschichte für die Nationsbildung in einem multiethnischen und multikonfessionellen postsowjetischen Land. Die Dissertation erarbeitet auch, wie die gemeinsame Geschichte mit den Nachbarländern in der heutigen Identitätspolitik thematisiert wird. Die Akteure, wie staatliche Institutionen, politische Parteien, Vereine der Kriegsveteranen, Repressionsopfer sowie ihre Praktiken der Erinnerung stehen im Fokus der Untersuchung.

Doktorandin:
Elnura Jivazada

Betreuer:
Jan Kusber

Die "Kresy" als multiperspektivischer Erinnerungsraum in der Zweiten Polnischen Republik (Christof Schimsheimer)

Im genannten Dissertationsprojekt sollen die ehemaligen Ostgebiete der Ersten und Zweiten Polnischen Republik, retroperspektiv als "Kresy" bezeichnet, als Erinnerungsräume im Polen der Zwischenkriegszeit untersucht werden. Im Besonderen dienen Zeitschriften und Zeitungen, wie auch Literatur und ethnographische Studien aus dem besagten Zeitraum als Quellen. Den Kern der Analyse bildet hierbei die Suche nach der Präsenz unterschiedlicher historischer Narrative über die "Kresy" in den damaligen Beschreibungen dieses Raumes.

Doktorand:
Christof Schimsheimer

Betreuer:
Jan Kusber

Bildungskonzepte und Bildungsutopien im vorrevolutionären Russland (bis zum Ende der 1920er Jahre) (Anita Steinseifer)

Die Dissertation verfolgt einen ideengeschichtlichen Ansatz.

Doktorandin:

Anita Steinseifer

Betreuer:

Jan Kusber